Krank durch Langeweile?

Ist Ihnen auch oft langweilig? Versuchen Sie, sich zu beschäftigen oder beschäftigt zu wirken? Fühlen Sie sich unterfordert? Oder kennen Sie jemanden, dem es so geht?

Zu wenig Arbeit, zu einfache Aufgaben oder zu viel Zeit für die Aufgaben, unterfordern Mitarbeiter*innen und Chef*innen chronisch.

Die momentane Krisensituation, die weiterhin zunehmende Digitalisierung, neue Arbeitsentwicklungen und fehlerhafte Personalentscheidungen bedingen psychische Belastungen durch das Gefühl von Unterforderung, Nicht-Auslastung, Langeweile und ungenutztem Potenzial.

Langeweile führt zu Langeweile

Denn so paradox es klingt: Unterforderung, Langeweile und die Suche nach Beschäftigung führen zu Stress und Müdigkeit. Nicht nur zu viel Stress kann krank machen, sondern auch das Gegenteil: Unterforderung und geringe Auslastung sowie Perspektivlosigkeit führen, ebenso wie dauerhafter Druck und Überforderung, zu Stresssymptomen. Müdigkeit, Lustlosigkeit und Frustration entstehen. Und machen auf Dauer krank – wir sind ausgebrannt vor Langeweile. Unsere Langeweile führt zu schlechter Leistung und diese wieder zu Langeweile. Und oft kündigen wir bereits innerlich. Wir haben ein Boreout.

Aus Furcht vor dem Gespräch und sich daraus entwickelndem anderen Stress, aus Schuldgefühlen und Scham heraus entwickeln Betroffene häufig Strategien, die eine hohe Auslastung vortäuschen. Um im Status Quo zu verharren und nicht Gefahr zu laufen ein Burnout zu entwickeln oder das Nichts-Tun zu thematisieren.
Doch genau diese Strategien des Versteckens belasten zusätzlich. Wir fühlen uns wertlos, illoyal, faul und unnütz.

Boreout macht krank

Dabei ist das Gefühl von sinnvoller Beschäftigung, Sinnfindung in der Arbeit, Anerkennung und Erfolg elementar und erfüllend. Fehlen uns eine sinnvolle Tätigkeit, Anerkennung und wertschätzendes Lob, verstärken sich Unzufriedenheit und Frust. Es kommt zu körperlichen und sozialen Symptomen, wie Interessenverlust, Abkapselung, Schlafstörungen, Essstörungen und Erschöpfungssyndrome. Als Folge dieser psychischen und physischen Belastungen wird unser Immunsystem schwächer. Spätestens dann ist es wichtig zu erkennen, dass es sich bei diesem Zustand nicht um eine Phase handelt. Ebenso wenig handelt es sich um Faulheit oder fehlende Kompetenz. Es handelt sich um ein Phänomen, dass weit verbreitet ist. Und das es aufgrund von Schuldgefühlen, Interessenskonflikten und Tabus schwierig macht, den Teufelkskreis der Langeweile und das Verharrens in diesem Zustand zu durchbrechen. Boreout ist, ebenso wie Burnout, eine ernstzunehmende und vor allem vermeidbare Krankheit.

Das Thema Boreout ist ein Führungsthema.

Sich dem Thema als Vorgesetze*r nicht anzunehmen, bedeutet freiwillig auf die Fähigkeiten von Mitarbeitenden zu verzichten und wirtschaftliche Belastungen in Kauf zu nehmen.
Wichtig ist nämlich nicht nur, dass Betroffene sich ihrer Situation bewusst werden und diese kommunizieren sowie eigeninitiativ verändern – ebenso elementar ist es, dass Chef*innen ihrer führenden Verantwortung nachkommen und das passende Arbeitsvolumen, die kompetenzgerechte Aufgabenstrukturierung, die Zufriedenheit und die offene Kommunikation in ihrem Team fördern.
Dabei ist es elementar, dass Situationen sachlich und vertrauensvoll erklärt und geklärt werden, um aktiv Verbesserungen anstoßen zu können. Nur wenn Mitarbeiter*innen das Gefühl haben, ein offenes Ohr zu haben und das Thema einer Unter- oder Überforderung des Arbeitspensums ansprechen zu können, gibt es die Möglichkeit, in einen konstruktiven Dialog zu gehen. Um gemeinsam nach Lösungen, möglichen Umstrukturierungen und Strategien zu suchen. Und wer weiß, vielleicht ergibt sich durch diesen transparenten Umgang mit dem Thema Burnout und Boreout eine ganz neue Ebene des Miteinanders und der Aufgabenverteilung zum Wohle aller.

Wie erkennen Mitarbeiter*innen und Führungsverantwortliche konkret ein Boreout?

  1. Lustlosigkeit. Dies zeigt sich nicht nur im beruflichen, sondern auch im privaten Kontext. Das Interesse an der Arbeit und Aktivitäten ist gering. Medizinisch betrachtet handelt es sich hier oftmals bereits um eine ernsthafte depressive Verstimmung oder eine Depression.
  2. Introvertiertes Verhalten. Dies zeigt sich in fehlender Kommunikationsfreude und Kommunikationsbereitschaft sowie einer insgesamt pessimistischen Einstellung.
  3. Distanzierung. Dies zeigt sich in der deutlichen Distanzierung zu anderen Menschen und zu Projekten und Themen in der Arbeit und dem Unternehmen. Das Zusammengehörigkeitsgefühl zu einem Team und zu Kolleg:innen nimmt ab, ebenso wie die Identifikation mit der Arbeit und dem Unternehmen.
  4. Konzentrationsschwäche. Fehlen Glücksgefühle, die bei herausfordernden Aufgaben ausgeschüttet werden, kommt es zu Konzentrationsschwierigkeiten und sogar Gedächtnislücken.
  5. Erschöpfung. Das Aufrechterhalten des Status Quo sowie des äußeren Bildes als Arbeitnehmer:in führt zu einer großen Erschöpfung, auch wenn die Tage nicht stressreich sind. Die Leistungsfähigkeit nimmt rapide ab, ebenso wie die Belastbarkeit. Die Betroffenen sind müde, sichtlich erschöpft und wirken dennoch ruhelos.
  6. Suchtsymptome. Um der Langeweile, den Schuldgefühlen und der Scham zu entkommen entwickeln Betroffene manchmal eine Sucht. Dies kann sich zeigen in erhöhten Konsum von Alkohol, Betäubungsmitteln oder in einer Essstörung.
  7. Aggressivität. Die psychische Belastung ist so groß, dass Betroffene zeitweise irrational und unreflektiert sowie aggressiv handeln. Die Selbststeuerung ist in diesen Momenten ausgesetzt, ein Ventil muss her.

Was tun?

Was können wir als Mitarbeiter*innen und Chef*innen aktiv tun, um dem frühzeitig entgegenzuwirken oder dies zu verändern?

Über Selbstreflexion. Wie schnell erledige ich meine Aufgaben? Wie anspruchsvoll empfinde ich meine Aufgaben? Wie oft bin ich dabei abgelenkt oder vertrödel die Zeit, um beschäftigt zu wirken? Was macht mir Spaß an meiner Arbeit? Wenn wir uns selber reflektieren, erkennen wir, was verändert werden sollte. Dann können wir das Gespräch suchen und Lösungen finden.

Über Erwartungsabgleich. In einem Gespräch zwischen Führungsverantwortliche*r und Mitarbeiter*in ist es elementar, die Erwartungen der Arbeitnehmenden mit denen der Arbeitgebenden zu vergleichen. Dazu gehören auch die Arbeitsanforderung und Qualifikation des Arbeitnehmenden, die Aufgabenbereiche in Bezug auf das Mitarbeiterprofil, die Anpassung an neue Umstände, die Aufgabenverteilung innerhalb eines Teams sowie die Arbeitszeitstruktur. Weichen diese Faktoren deutlich voneinander ab oder gibt es hier große Differenzen, führt dies dazu, dass Mitarbeiter*innen falsch ausgelastet werden. Hier spielt auch die Präsenzpflicht am Arbeitsplatz eine große Rolle: flexible Arbeitszeiten verhindern, dass Zeit am Arbeitsplatz abgesessen werden muss, auch wenn die Arbeit bereits erledigt wurde oder in einer Phase wenig zu tun ist.

Über transparente Kommunikation. Egal ob als Mitarbeiter*in oder Führungsverantwortliche*r: Niemand sollte Angst vor einem Gespräch haben. Denn jeder im Unternehmen hat ein Interesse daran Motivation und Zufriedenheit als auch Produktivität und Wachstum zu stärken. Und erst im gemeinsamen Überlegen entstehen häufig stimmige individuelle und unternehmerische neue Wege, von denen alle profitieren. So können Unternehmen ihre Mitarbeitenden dabei unterstützen, das richtige Maß an interessanten, herausfordernden und als sinnvoll empfunden Aufgaben zu finden, die individuellen Kompetenzen besser zu nutzen oder die Arbeit umzugestalten.

Über anspruchsvolle Aufgaben. Wir Menschen brauchen Arbeit und Aufgaben, die auch mal stressig sein dürfen, die uns fordern, die wir bewältigen müssen, bei denen wir über uns hinaus wachsen. Denn dadurch erfahren wir positiven Stress und die Ausschüttung von Hormonen, die unsere Stimmungslage, unsere Gesundheit und mentale Leistungsfähigkeit positiv stärken. Unsere Gehirnfunktion wird verbessert, ebenso wie unsere Konzentration und unsere Belastbarkeit.
Herausfordernde Situationen führen dazu, dass unsere Atmung und unser Herzschlag sich verschnellern, es werden Adrenalin und Noradrenalin ausgeschüttet – wir sind voller Energie und Aktivität. Wir fühlen uns positiv herausgefordert, wichtig in unserer Funktion und erfüllt.

Über Balance. Nicht nur die Vergütung für einen Job ist wichtig um Zufriedenheit in diesem zu empfinden. Immer mehr Menschen sehnen sich nach einer ausgeglichenen Lebensbalance. Nur wenn die drei Faktoren Sinn, Zeit und Geld im Gleichgewicht sind, erleben wir tiefe innere Zufriedenheit und Ausgeglichenheit. Dies bedeutet auch, dass wir in Momenten, in denen wir in unserer Arbeit nicht ausgelastet sind, uns in unserer Freizeit herausfordernde intellektuelle, sportliche oder soziale Beschäftigungen suchen oder unsere Komfortzone aktiv verlassen können – um so positiven Stress zu erzeugen, der uns erfüllt und zufrieden macht. Alle drei Faktoren spielen ineinander und können sich gegenseitig stärken. Diese Balance zu kennen und zu nutzen, hilft uns bei einer stabilen Lebensgestaltung.

Die Balance macht den Unterschied

Die individuell stimmige Balance zwischen Arbeitsaufwand, Arbeitsthemen und Arbeitszeit bedarf, vom Recruiting an, einer transparenten Kommunikation, regelmäßiger Reflexion und stetiger Anpassung durch Mitarbeitende und Führungsverantwortliche.

Klingt nach viel Aufwand? Doch es lohnt sich.

Denn nur so sorgen wir aktiv für eine hohe Motivation, Leistungsfreude und Produktivität, Identifikation und Loyalität sowie Wachstum und Wirtschaftlichkeit. Für individuelle und unternehmerische Potenzialentfaltung und -ausschöpfung.

Denn es macht und ist ein großer Unterschied, ob wir uns am Ende eines Arbeitstages ausgelaugt und leer oder erschöpft und zufrieden fühlen.

© by Verena Arps-Roelle

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